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DIE RELIGION IM SCHMUCKDESIGN – IM DIALOG MIT DESIGNERIN URSULA HEINECKE.


Religiöse Symbole im Schmuck zu manifestieren ist in vielen Kulturen seit tausenden Jahren ein Brauch. In den mono- als auch in den polytheistischen Weltreligionen existieren Hinweise in tragbarem Körperschmuck, die auf Zuerteilung und Funktionalität zur Ausübung einer Religionskultur verweisen. Die Hamburger Schmuckdesignerin Ursula Heinecke kreierte die Bekenntnis-Kollektion. Eine Schmuckserie, in der sie auf christliche Symbolkraft zurückgreift. Ich führte mit der Designerin ein Gespräch, weit über die Grenzen einer Kollektion hinaus. Ein Dialog, zum tieferen Verständnis ihrer Bekenntnis mit Einblicken in die Kunst- und Kulturgeschichte 

VON ANDRÉ CHAHIL | Photo: Strozzi Altarbild (Detail) „Die Anbetung der Hl. Drei Könige“, Gentile da Fabriano, 1423 Galeria degli Uffizi, Florenz.


Frau Heinecke … religiöse Symbolkraft in Schmuck zu manifestieren, woher stammt bei Ihnen der Impuls, die ursprüngliche Idee?

Seit meiner Kindheit bin ich mit der Religionsausübung verwurzelt, dies nicht im Sinne einer religiösen Erziehung, sondern aus einer inneren Sehnsucht heraus. Ursprünglich war es meine Absicht Theologie zu studieren. Die zehnjährige Arbeit in einer Kirchengruppe mit christlicher Meditation ebnete mir den Weg mich intensiv mit christlichen Symbolen auseinanderzusetzen. Dahinter erkannte ich eine immense Kraft. Eine Kraft die hinter und besonders in diesen Symbolen verborgen ist. Symbole können meines Erachtens Wegbegleiter in eine nicht sichtbare, aber fühlbar andere Wirklichkeit sein. Nach dem Einstieg in den familiären Juwelierbetrieb meines Mannes – und durch die intensive Auseinandersetzung mit den edlen Materialien, die in dieser Branche vorherrschen, suchte ich nach neuen Herausforderungen. Ich betrachte diesen positiven Umstand auch als eine Art Fügung. Heute bin ich für diese Fügung dankbar, die im Übrigen auch mit einem Traum zusammenhängt. Eines Nachts wachte ich auf, hatte diesen Traum der Formen, ein Ur-Design. So nahm ich Stift und Papier und das Ergebnis sehen sie nun hier in ganzer Pracht vor sich liegen.

Die geniale Kraft und Macht des Unterbewusstseins, deren Ergebnisse zahlreich geistreicher Persönlichkeiten und Erfinder aus der Geschichte wir heute vieles zu verdanken haben.

Ganz genau …  von dieser Kraft und Eingebung spreche ich.

Ring Jericho

„Hört auf mich ihr frommen Töchter und Söhne und ihr werdet gedeihen wie die Rose, die am Wasserlauf wächst, wie wunderbare Rosensträucher in Jericho.“

Sirachbuch, EU (39, 17-18)
JERICHO RING
18K Gold, Feueremaille | 3 Variationen | Photo © Bekenntnis-Kollektion

Ich stelle es mir mutig vor, wenn man gegenwärtig im Zuge säkularisierter, multikultureller Religionswahrnehmung und durch die scharfe Kritik, welche an das Christentum adressiert ist, ein klares Statement im Sinne einer Kollektion entwirft. Wie hat die Branche zunächst hierauf reagiert?

Zunächst wurden die Entwürfe als schöner, tragbarer Schmuck wahrgenommen. Ablehnung und Kritik habe ich nicht erfahren. Wenn es Reaktionen aus dieser Richtung gab, dann vereinzelnd in einer Haltung der Gleichgültigkeit. Das ist menschlich! Ich schreibe niemandem vor meine Kollektion kaufen oder tragen zu müssen. Ich beabsichtige auch keine Verkaufsargumente aus religiöser Richtung. Das lehne ich kategorisch ab. Die freudigen Reaktionen der Kunden, die ein tieferes Verständnis und Wissen zu diesen Symbolen aus dem Christentum mitbringen, erfreuen natürlich. Manche sprechen davon, den Wunsch verspürt zu haben, christliche Symbolkraft in Form eines Schmuckstückes tragen zu wollen und sich dies durch meinen Anstoß nun trauen. Ich erkenne bei manchen eine Sehnsucht. Die Sehnsucht sich nach Jahren wieder mit der heiligen Schrift auseinanderzusetzen. Die Verwunderung, derartiges in einem traditionsreichen Hamburger Juwelier Geschäft vorzufinden, war anfangs groß. Hieraus resultierten intensive Gespräche. Eine Kundin verabschiedete sich mit den Worten: „Frau Heinecke, einen derartigen Dialog hätte ich mir mit meiner Pastorin gewünscht!“

Können Sie aus der langjährigen Erfahrung bewusst Vorreiter aus der Kulturgeschichte, aus der Welt des Schmucks benennen? Gibt es Felder der Inspiration, aus denen Ihre Entwürfe entsprungen sind?

Im Wesentlichen ist ein Ring ein Ring, dieser muss nicht neu erfunden werden. Ich orientiere mich nicht an Entwürfen anderer Designer. Ich schaue mir u.a. Kirchen an, betrachte deren Formen und Architektur und setzte mich mit der Historie auseinander. Die Ausgestaltung von Kirchenfenstern, diese unterschiedlichen Formen und beeindruckenden Farben. Mein Quell der Inspiration liegt eher in der Wahrnehmung und Wertschätzung dieser Zeugnisse, die sich dann in einem Transfer in dem Schmuckdesign wiederfindet. Darüber hinaus versuche ich bei meinen Entwürfen keinen Modetrends zu folgen, sondern etwas generationsübergreifendes zu kreieren. Dabei spielen traditionsreiche Herstellungs- und Verfahrenstechniken, wie zum Beispiel die Feuer-Emaillierung, eine gewichtige Rolle. Es geht es darum alte, fast vergessene Handwerkstechniken zu revitalisieren.

DER RING DES PAPST PAULUS II.
Gold, Bronze, Bergkristall | Mittelitalien, 1464 | Sammlung Musée National du Moyen Âge, Paris

Wenn wir uns unabhängig, sowohl der großen monotheistischen, als auch den polytheistischen Religionen, überkategoriell greifend zuwenden … was darf und sollte religiöser Schmuck Ihrer Ansicht nach ausstrahlen und was sollte dieser nicht bewirken? Ziehen Sie bewusst Grenzen einer zuerteilten Funktionalität?

Nach meinem Verständnis sollte religiöser Schmuck nichts sein, womit sich das Individuum profiliert. Ebenso forciere ich keine Missionierung und grenze mich auch zum Bereich der Esoterik ab, wie zum Beispiel Zuschreibungen magischer Funktionen bei einem Talisman oder einem Amulett. Dies meine ich auch religions- und konfessionsübergreifend. Die Schmuckstücke an sich sind ja nicht die Kraft selbst …

Sie meinen … ich versuche ein adäquates Beispiel zu nennen: „Die Uhr zeigt die Zeit an, ohne selbst die Zeit zu sein“?

Exakt! Der Schmuck ist nur ein Verweis auf etwas, was jeder für sich selbst von innen heraus erkennen kann. Die Erkenntnis und den damit verbundenen Geist, das Schützende, das Heilende, das Führende, das Bekenntnis … ich halte es für wichtig, dass der*die Träger*In eines solchen Schmuckes den inneren Wert mit seiner Erfahrung durchlebt.

Religiöse Symbolkraft im Schmuck. Im Dialog mit Designerin Ursula Heinecke Photo © S. Grimsley 

In Ihrer Kollektion sind Entwürfe, die aus dem Edelmetall Aurum, dem Gold gefertigt sind. Ist die Wahl traditionell begründet, ästhetischer Natur oder gibt es hier einen tieferen, religiösen Bezug?

Wissen Sie wie Gold entsteht?

Vielleicht ähnlich wie ein Diamant durch terrestrische Vorgänge in den Erdschichten, dies über viele Millionen Jahre hinweg?

Anders … das Goldvorkommen auf unserem Planten ist nicht auf dieser Erde entstanden. Sämtliches Gold ist durch Supernoven, in der eine Kernfusion stattgefunden hat, auf unsere Erde gelangt. Es ist genauer gesagt „außerirdisch“, nicht von dieser Welt. Es entspringt einem ganzheitlichen und kosmischem Schöpfungsakt. Darin sehe ich beispielsweise eine symbolische Verbindung zum Glauben. Und bis das Gold in seiner endgültigen Form als strahlendes Schmuckstück an unseren Körper gelangt, durchläuft es einen langen Prozess. Die Wandlung der Materie durch eine Supernova, das Auffinden auf der Erde und die anschließende Bearbeitung durch einen Goldschmied. Ein Weg, den auch ein*e Gläubige*r oder ein* Suchende*r durchläuft … ein weiterer, religiöser Transfer.

Sie meinen: „Per aspera ad astra“? Aus dem Lateinischen ins Deutsche: „Über rauhe Pfade zu den Sternen“ … so sprach Seneca.

Fast, aber in diese Richtung. Seien es rauhe oder geführte Wege. Wege zur Erkenntnis, der Weg zum Glaube.

In der Kunstgeschichte, ausgehend seit der Antike, hat man in Fresken und allem vorweg in vielen Altarbildern, die Heiligenscheine mit einem Goldgrund ausgeschmückt. Die Verwendung dieses „Fondo Oro“ hatte nicht nur den Zweck einen Bildgegenstand aufzuwerten, sondern häufig einfach den Grund, dass keine andere Farbgebung in der Malerei das Licht und gleichzeitig die Wärme ausstrahlt, die man mit der Allgegenwart und Aura Gottes in der Kulturgeschichte, von der byzantinischen bis zur barocken, interpretiert hat. Ein neutrales oder seidiges Weiß ist zwar Himmelshell, dennoch selten warm. Die Verwendung des Goldes hatte hier die Funktion das Irdische vom Göttlichen abzugrenzen. Diese Tradition wollte man spätestens im Zuge der Reformation aufgehoben sehen. Die Verwendung des Aurum … im Kontext christlicher Symbolik … ist hier die Zuschreibung zum Katholizismus nicht greifend nah?

In der Kollektion ziehe ich an dieser Stelle keine Grenzen und verfolge keine Dogmen. Ob evangelisch oder katholisch, es ist ein christlich allgemeingültiger Schmuck. Die Konzentration liegt hierbei auf den wertvollen Materialien, dem aussergewöhnlichen Design, der besonderen Umsetzung der Goldschmiedekunst. Ich betrachte im Übrigen kulturelle Erzeugnisse des Katholizismus als sehr eindringlich, da diese nach meinem Empfinden alle Sinne ansprechen. Das Gold ist seit tausenden Jahren in allen Kulturen vertreten, da gibt es keine konfessionellen Einschränkungen.  

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BARTOLOMEO VIVARINI
„Maria mit dem Kind, dem heiligem Paulus und Hieronymus“ | Tempera und Gold auf Holztafel, Murano ca. 1460 | National Gallery, London.

Ich füge hinzu, dass Hochkulturen wie die Inkas und Mayas Goldschmuck verwendeten. Für die einen diente er als Abgrenzung des Adels zu den Normalsterblichen, für die anderen war es ein normales Gebrauchsmetall ohne nennhaften Wert. Das änderte sich mit der Invasion der Europäer. Bei den Azteken verlieh ein kultivierter Federschmuck ein sehr hohes Ansehen. Seltene Federn hatten bei diesem indigenen Volk einen höheren Stellenwert als das Gold.

Wie sie zu recht erwähnt haben, wirkt das Gold auf dem ganzen Planet, seit dem ersten Auffinden, anziehend auf uns Menschen. Unabhängig einer Religionsform. Es ist ein besonderes, seltenes Element, mit der Ordnungszahl 79 im Periodensystem.

 

DIE MASKE DES AGAMEMNON
Gold, Metall | ca. 14. Jahrhundert v. Chr. (umstritten) | Nationalmuseum, Athen

Und in Ihrem Schmuck schließt das Aurum die Symbolik ein, es ist schützend und tragend, wie zum Beispiel bei diesem Ring. Wir erkennen einen Fisch, ein Symbol des Christentums. Ikonographisch steht er in erster Linie für die Fruchtbarkeit. Darüber hinaus diente das Symbol zu einem historischem Zeitpunkt als Erkennungsmerkmal der Christen. Es war die Zeit, als die Christen von den Römern unterdrückt und verfolgt wurden …

Der eucharistische Fisch. Der ICHTHYS. Unter genauerer Betrachtung der Anfangsbuchstaben im Griechischem steht es für ein kurzes Glaubensbekenntnis:

 

ἸΗΣΟ˜ΥΣIēsoũs (neugr. Ιησούς Iisoús) Jesus

ΧΡΙΣΤῸΣChristós Christus“ (der Gesalbte)

ΘΕΟ˜ΥTheoũ (neugr. Θεού theoú) Gottes

ΥἹῸΣ — Hyiós (neugr. Υιός Iós) Sohn

ΣΩΤΉΡSōtḗr (neugr. Σωτήρας Sotíras) Erlöser

 

Ich resümiere: Jesus Christus, der Sohn Gottes, unser Erlöser …

Sie haben es erkannt. Und darüber hinaus gibt es noch einen weiteren Verweis aus dem Evangelium nach Lukas, der Petrus Mut und Zuversicht zuspricht keine Fische, sondern Menschen zu fangen. Fangen, im Sinne weitere Menschen für Christus zu begeistern und einen gemeinsamen Weg zu gehen.

„Jesus sagte zu Petrus: Fürchte dich nicht! Du wirst jetzt keine Fische mehr fangen, sondern Menschen für mich gewinnen.“

Lukas, EU (5,10) 

 

Somit schließt sich bei diesem Ring der innere und äußere Bedeutungskreis zu einem einheitlichem, stimmigem Konzept. Das Gold, der Fisch …

Exakt. Wie bei weiteren Entwürfen aus der Kollektion. Dabei spielen Farben und die damit verbundene Bedeutung, neben den weiteren Symbolen die „tragende“ Rolle.

ICHTHYS RING
Gelb- und Weißgold, drehbare Mittelschiene | 3 Brillanten je 0,05 ct, Feines Weiß, lupenrein | Photo © Bekenntnis-Kollektion

Könnten Sie sich vorstellen das Design-Konzept auf weitere Religionen zu transferieren? Schmuck zu entwerfen, die mit den Symbolen des Islam, des Judentums oder des Buddhismus ausgestattet sind?

Ich bin allen Religionen aufgeschlossen, dennoch um diesen Auftrag mit einer göttlichen Fügung zu entsprechen, das wird mir in diesem Leben nur im Christentum gelingen. Ich spreche hierbei bewusst vom „Gelingen“.

Bei einem Ring aus der ICHTHYS-Serie, den wir aus der Kollektion vor uns sehen, ist ein äußerer Ring drehbar. Hierbei kommt ein weiterer Faktor hinzu, die „Bewegung“.

Die Möglichkeit den äußeren Ring bewegen zu können, bietet einen Weg an Gott zu erinnern oder ein Gebet zu sprechen. Das Bewegen führt die Gedankengänge, die durchschritten und in das Bewusstsein gerufen werden. Darüber hinaus glaube ich daran, dass das Drehen zusammen mit einem Gebet uns zu unseren tiefsten Schichten des (Gott-) Vertrauens führen kann. Welches Ritual der Träger mit der Funktion in Verbindung bringt, das ist jedem selbst überlassen. Es bietet eine Möglichkeit zur Einkehr nach innen, zur Meditation.

In weiteren Religionen finden wir die Funktion in adäquater Form, beispielsweise in Gebetsketten, beim Islam oder in der christlich orthodoxen Konfession wieder. Im tibetischen Buddhismus ist es die Gebetsmühle, die zum Einklang zwischen Bewegung und Gebet verhilft. Im Hinduismus würde man mit Hilfe dieser Funktion die Mantren in repetitiver Weise rezitieren.

Im Christentum gibt es darüber hinaus noch den Rosenkranz, mit ähnlicher Funktion. Einen religionsunabhängigen Charakter, weltanschaulich übergreifend, habe ich in einer weiteren Kollektion zum Ausdruck bringen wollen. Die PROTECTUM-Kollektion versinnbildlicht das wertvolle der irdischen Schöpfung, die es zu bewahren gilt. Eine Abkehr vom Raubbau unserer Ressourcen, die nicht unendlich sind. Ich möchte damit in universeller Ausdrucksweise an das Wertige unserer Natur erinnern, an ethisch korrektes Handeln und an ein respektvolles Miteinander. Die universelle Form dieser Kollektion ist in jeder Kultur wiederzufinden. Die Kugel wird hierbei in einem Schutzkörper als Anhänger an einer Kette getragen. Universell verständlich, ob in Indien, Alaska oder in Afrika. Das gespannte Kreuz, welches die Kugel umschließt, ist das einzige Zitat, welches dem Christentum zuzuschreiben wäre. Der Träger möge auch hier Offenheit zeigen. Es ist die selbige Offenheit, mit der auch ich anderen Kulturen begegne.

 

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PROTECTUM
Die unterschiedlich designten (Welt-) Kugeln  sich in jede Richtung drehbar. Gefertigt aus recyceltem oder fair gehandeltem Gold. Durch einen Wechsel der Kugel lässt sich das Erscheinungsbild individuell gestalten. | Photo © Bekenntnis-Kollektion

Ihre Kollektion umfasst gegenwärtig 25 Entwürfe und ist seit 2004 im Markt vertreten. Auf was darf man zukünftig gespannt sein, gibt es einen Ausblick?

Die Protectum-Kollektion wird eine Erweiterung erfahren. Dies in Form weiterer Designs, die in Ihrer einfachen Formensprache universell zu lesen sind. Authentisch und wertvoll. Die beiden Begriffe sind mir dabei vom Herzen sehr bedeutend. 

Frau Heinecke, ich bedanke mich für diesen anschaulichen und überaus spannenden Dialog.

 
Informationen: bekenntnis-kollektion.com
chahil

Andre chahil

Art & Critique | Interviews | Boulevard

Thank you for reading!

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