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EINBLICKE! EIN ECHTER VAN GOGH? Causa „Still life with peonies“. Im Interview mit Markus Roubrocks.

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Sie kuratieren Museen, betreiben Galerien, sammeln mit großer Leidenschaft und haben ihr Wirken in der Welt der Kunst. Die Reihe EINBLICKE! gewährt Zugänge zu Sammlungen, Stätten der Kultur und portraitiert Persönlichkeiten des internationalen Kunstbetriebes.

Im Interview mit Markus Roubrocks.

VON ANDRÉ CHAHIL Photo © M. Roubrocks

Herr Roubrocks, Ihre Familie besitzt seit 1977 ein in den Maßen 37,5 x 43,5 cm gefertigtes Ölbild mit dem Titel „Still life with peonies“, übersetzt „Stillleben mit Pfingstrosen“. Es wird laut ihrer Aussage dem Maler Vincent Van Gogh zugeschrieben, sein Stil ist durchaus in diesem Werk erkennbar. Seit über 20 Jahren kämpfen Sie mit allen Mitteln, unter Zuhilfenahme stetiger Beweisführung, um die offizielle Anerkennung. Dies insbesondere durch das Van Gogh Museum (VGM) in Amsterdam. Seit jeher hat sich ein großer Rechtsstreit entfacht. Nun zunächst … wie gelang das Ölbild in Ihre Familie und welche vorherige Provenienz lässt sich zurückverfolgen?

Mein Vater erwarb dieses Gemälde 1977 durch ein Konvolutankauf, in einem nicht gutem Zustand in Belgien. Aus dieser Zeit existiert keine schriftliche Aufzeichnung für eine Provenienz. Bereits im Zeitraum 1981-1983 wurde das Werk durch das Van Gogh Museum und vom Niederländischen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte (RKD), durch eine Betrachtung anhand von Photographien, bestritten. Dies obwohl bereits zum damaligem Zeitpunkt zwei kunsthistorische und drei naturwissenschaftliche Gutachten vorlagen. Mit anderen Worten, es wurde gegen jede Norm gehandelt und willkürlich, ohne das Gemälde jemals im Original gesehen und untersucht zu haben. Zudem wurde behauptet, dass es sich um eine Fälschung handele.

„Still life with peonies“ 37,5 x 43,5 cm, Öl auf Leinwand, Zuschreibung: Vincent Van Gogh (1889/1890, nicht offiziell bestätigt). | Photo © M. Roubrocks

Das Van Gogh Museum in Amsterdam datiert seine Eröffnung auf das Jahr 1973, es beherbergt über 200 Gemälde und über 400 Zeichnungen aus sämtlichen Schaffensperioden. Der Kern der Sammlung ist durch eine direkte Vererbung aus zweiter Hand seines Vermächtnisses aufgebaut. Darüber hinaus betreibt das Museum ein Zentrum, welches sich mit der kunstwissenschaftlichen Forschung auseinandersetzt. Auf dem internationalen Kunstmarkt gilt ein Van Gogh nur als ein Original, wenn es von dieser Institution bestätigt wurde. Somit hält das Museum faktisch eine Monopolstellung inne und der Kunstmarkt bezieht sich in vertrauensvoller Weise auf deren Expertisen. Kritiker, wie auch in Ihrem Falle, werfen diesem Haus Fehlzuschreibungen und mangelnde Sorgsamkeit in einigen dieser Angelegenheiten vor. Wie ging es in chronologischer Abfolge mit Ihrem Stillleben weiter?

Von meinem Vater erbte ich schließlich das Ölbild 1997 und im Zeitraum 2000/2001 wurde für einen bevorstehenden Verkauf durch das Auktionshaus Sotheby´s in Zürich eine detaillierte Untersuchung durch das Van Gogh Museum ausgehandelt. Im November des Jahres 2001 deklarierte dann das VGM mein Gemälde erneut als eindeutige Fälschung. Da wiederum die Ergebnisse des VGM nicht im Einklang mit den damals bereits acht vorliegenden Gutachten zu bringen waren, schaltete ich das naturwissenschaftliche Jägers Labor ein…

Aussenfassade, Neubau des Van Gogh Museum in Amsterdam. | Photo © Chahil Art Consulting

Erhard Jägers Mikroanalytisches Labor in Bornheim. Er gehört zu den Experten, die den Fall des Skandals um Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi behandelten, ihn enttarnten. Ein in Deutschland führendes und international angesehenes Untersuchungslabor für Expertisen von Kunstgütern.

Und sein Labor bestätigte, dass die Expertise des VGM fehlerhaft war. Kurze Zeit später legte ich dann das Labor-Gutachten den damaligen zuständigen Herrn Louis van Tilborgh im VGM persönlich vor. Herr van Tilborgh erklärte dazu, dass er über neue Fakten nachdenken müsse und ich wiederkommen solle. Doch zu diesem Termin kam es nicht, ich wurde nicht zu Herrn van Tilborgh vorgelassen … und grob aus dem Museum geführt. Anschließend schickte man mir einen Vertrag zur Neubewertung. Da zu diesem Zeitpunkt das Jägers Labor an einer Stellungnahme gegen die Expertise des VGM arbeitete, antwortete ich dem Museum, dass man die katastrophale Expertise von 2001 zurückziehen und mein Gemälde anerkennen solle. Das VGM antwortete nur, dass man über den Fall nicht mehr sprechen wolle. Auch nach Übermittlung der Stellungnahme des Jägers Labor an das VGM gab es keinerlei weitere Reaktion. Den Vertrag zur Neubewertung durch das VGM habe ich 2005 auf Rat meines Anwaltes unterzeichnet. Das VGM wollte auch nach diesem Schritt nicht mehr über meinen Fall entscheiden.

Im Jahre 1991 ereignete sich ein prominenter Fall, der ebenfalls mit dem VGM in Verbindung stand. Damals deklarierte man das vorgelegte Werk „Sonnenuntergang bei Montmajour“ aus dem Jahre 1888 als Fälschung. Erst 2013 nahm man wieder genauere Untersuchungen auf, u.a. durch die Hinzuziehung weiterer historischen Belege die attestierten, dass das Werk in dieser Form existiert – und deklarierte es schlussendlich als echt. Die Sachlage ist für Kunstwissenschaftler bei weitem nicht einfach. Bereits in den ersten drei Jahrzehnten nach Van Goghs Tod (1890) tauchten Fälschungen auf und Maler, die wohlwollend seinen damals in Mode gekommenen Stil kopierten. Der Boom des neuen, rein Kapital orientierten Kunstmarktes der 1980er Jahre hat auch dazu beigetragen, dass Kriminelle unter Zuhilfenahme eines professionellen Netzwerkes einen großen Aufwand betreiben, um möglichst gute und beinahe laborsichere Fälschungen zu fertigen.

Der niederländische Maler und Zeichner Vincent Willem van Gogh (1853-1890) gilt in der Kunstgeschichte als einflussreicher Wegbereiter der Moderne. Nach aktuellem Forschungstand hinterließ Van Gogh ein Oeuvre von ca. 864 Gemälden und über 1000 Zeichnungen, die größtenteils erst innerhalb der letzten 10 Jahre seines Schaffens gefertigt worden sind. Der Mythos eines nicht anerkannten Genies und die eines verrückten Künstlers, dessen Leistung in der Gesellschaft ihm erst post mortem zuerteilt wurde, ist zum Gegenstand seiner Popularität geworden. Die zahlreichen Briefwechsel mit seinem  jüngeren Bruder Theo Van Gogh, der seinerzeit ein erfolgreicher Kunsthändler und wichtigste Bezugsperson des Malers war, sind bis zum heutigem Tage essentieller Bestandteil der Quellenforschung in kunstwissenschaftlichen Belangen. Nach Van Goghs Ableben kam sein Malstil in Mode und erlangte an so großer Popularität, dass der Kunstmarkt mit zahlreichen Fälschungen und Fehldeutungen seines Oeuvres, bis in die Gegenwart, in Fragen der Aufklärungen zu Ringen hat. | links: Vincent van Gogh im Alter von 19 Jahren, Photographie von Jacobus Marinus Wilhelmus de Louw, 1872. | rechts: Vincent Van Gogh, Selbstbildnis, Öl auf Leinwand, 40,6 x 31,8 cm, 1887.

Beim Fall „Sonnenuntergang bei Montmajour“ muss bedacht werden, dass die Provenienz des Gemäldes bis zum Verkauf durch die Van Gogh Familie 1903 nachgewiesen ist. Das Gemälde ist in der in der Bonger Liste unter Nummer 180 aufgelistet und wird außerdem in Van Goghs Briefen beschrieben. Hieraus wird besonders deutlich, dass klare Provenienzen für das VGM keine Bedeutung haben und bei Bedarf alle Fakten ignoriert werden.

Wie ging es in Ihrem Fall weiter…

Folglich verklagte ich 2012 das VGM. Im darauf folgendem Jahr wurden sogar bei Restaurierungsarbeiten meines Bildes Anteile roter Haare im Gemälde gefunden – die „Bild“ berichtete – die möglich von Van Gogh selbst stammen könnten und unter der Ölschicht konserviert wurden. Ein DNA-Abgleich kam bis heute, aufgrund der Erben die dem DNA-Abgleich mit Vincent Van Gogh nicht zustimmen, nicht zustande. Seit 2013 stehe ich mit dem VGM im stetigem Rechtsstreit. Hierzu gab es im Verlaufe dieser Jahre mehrere Gerichtsverhandlungen auf Niederländischem Boden. Unter anderem fand ich hierbei heraus, dass mein Werk niemals wirklich untersucht, sondern lediglich nur betrachtet wurde. Seit der Übermittlung neuer Fakten zu meinem Bild antwortet das VGM nicht mehr. 

Im Jahr 2012 entnahm man dem Stillleben ein Haar, welches unter den Pigmenten versiegelt schien. Ist es eines von Vincent Van Gogh? Aufnahme in 140 facher Vergrößerung. | Archiv © M. Roubrocks

Maluntergrund, Craquelé und Signatur. Zu welchen essentiellen Ergebnissen sind Sie mit den Untersuchungen zu Ihrem Stillleben bis heute gekommen?

Es gibt fünf naturwissenschaftliche Gutachten von 1980 bis heute, bei denen alle Van Gogh typische Faktoren untersucht und bestätigt wurden – und zwei wissenschaftliche Stellungnahmen gegen die Aussagen des VGM. Wissenschaftlich ist mein Gemälde mehr als geprüft. Das Jägers Labor hat aktuell nachgewiesen, dass die Grundierung meines Gemäldes dieselben Merkmale wie die von Tasset et Lhôte aufweist. Es lässt sich anhand des Buches vom Van Gogh Museum „Van Goghs Studio Practice“ sogar eine Zuordnung in die Zeit 1889-1890 ableiten. Die Grundierung in meinem Gemälde hat die gleiche Zusammensetzung wie die einer Rolle Leinwand, die Tasset et Lhôte Van Gogh um 1889-1890 geliefert hat. Van Gogh bekam von Tasset et Lhôte 5 und 10 Meter Rollen Leinwand, die jeweils eine andere Grundierung aufweisen. Im Buch des VGM werden die Grundierungen bis ins kleinste Pigment beschrieben, dadurch ist ein Vergleich möglich geworden. Die aufgestellte Fälschungstheorie ist damit im Ganzen widerlegt, da Van Gogh 1889-1890 nicht gefälscht wurde und schon gar nicht auf Leinwände diesen Fabrikats.

Der Kölner Galerist und Kunsthändler Markus Roubrocks. Im Hintergrund „Still life with peonies“, restauriert und gerahmt. | Photo © M. Roubrocks

Van Gogh bevorzugte Leinwände von Tasset et Lhôte aus Paris aufgrund der hohen Qualität. Prominente Zeitgenossen wie Edgar Degas, Paul Signac und Alfred Sisley waren ebenfalls Kunden dieses Lieferanten. Ab Van Goghs Phase in Arles bestellte er die Leinwände, wenn nicht beim Händler Tanguy, ausschließlich bei Tasset et Lhôte. In den Briefen ist zu lesen, wie die Anfrage nach Malbedarf bei seinem Bruder Theo, der diesen organisierte, zunahm.

Die Leinwand wurde von Webereien geliefert, die Kunst lag in der Grundierung. Van Gogh schreibt, dass die Grundierung von Tasset et Lhôte den dicken Farbauftrag besser angenommen hat und feiner ist. Das hat wohl damit zu tun, dass die Grundierung der Farbe nicht zu schnell die Feuchtigkeit entzieht.

Gleiches Qualitätskriterium galt auch für die Pigmente, den Farben von Tasset et Lhôte.

Die Grundstoffe und die Verarbeitung der Farben von Tasset et Lhôte ist qualitativ höher. Das Kobaltblau z.b. hatte einen kleineren Anteil an Eisen. Dadurch gibt es weniger schwarze Verfärbungen und das blau erscheint intensiver und stärker. Van Gogh beschreibt den optischen Unterschied in seinen Briefen. Übrigens passen alle Pigmente in meinem Gemälde zu Van Gogh, das musste auch das VGM bestätigen. Die Farben selbst sind mit Barium aufgehellt. Barium als Füllstoff zu nehmen ist in der Zeit ungewöhnlich, aber war für Van Gogh typisch. Es gibt vom Jägers Labor eine genaue Aufschlüsselung der Anteile, die sich wiederum mit den verwendeten aus Van Goghs Zeit gleichen. Ein weiteres Gutachten von 1983 bestätigte, dass es eine ursprüngliche Signatur mit „Vincent“ in roter Farbe am unteren linken Vasenrand gab, die eindeutig zur selbigen Zeit entstanden sein muss, als das Bild gefertigt wurde.

Rückseite der Leinwand. Webart, Struktur, Charakteristika und Grundierung der Leinwand waren Teil mehrfacher Untersuchungen renommierter Labore, die zum Gutachten führten, dass „Still life with peonies“ mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf einem Untergrund des um die Jahrhundertwende in Paris ansässigen Fabrikats Tasset et Lhôte gefertigt wurde. | Archiv © M. Roubrocks

Kommen wir zu einem weiteren Punkt, die „Bonger Liste“. Andries Bonger war um die Jahrhundertwende zu Zeiten Van Goghs ein niederländischer Versicherungskaufmann und Kunstsammler. Seine Sammlung gehörte in dieser Zeit in den Niederlanden zu den bedeutendsten der Modernen Kunst. Den Kern der Sammlung baute Bonger erst drei Jahre nach Ableben Van Goghs auf. Handschriftliche Vermerke dokumentieren Details der Sammlung. Ein schriftlicher Beweis aus der Zeit Van Goghs über die Existenz Ihres Stilllebens existiert nicht. Nach Einsicht in die Bonger Liste haben Sie eine These entworfen, die inhaltlich mit der Verwechslung von Blumensorten zu ringen hat.

Die Bonger Liste ist eine Inventarliste der Gemälde, die sich 1891 noch im Besitz der Van Gogh Familie befand. Werke die in der Bonger Liste stehen sind somit zwangsläufig echt. In der Bonger Liste wird die Nummer 19.4 als Myosotis (Vergissmeinnicht) im T.8 beschrieben. Das Motiv und die Größe (en Toile de 8 46 : 38 cm) stimmen mit meinem Van Gogh Gemälde überein. Es ist außerdem das einzige Van Gogh Gemälde der Welt auf dem Myosotis (Vergissmeinnicht) gemalt sind und bei dem die Größe passt.

Ihren eigenen Recherchen nach gibt es möglicherweise eine weitere Theorie, die sich aus den Briefen von Vincent und seinem Bruder, dem Kunsthändler Theo Van Gogh, bei dem auch nach Vincents Tod ein Großteil der Werke verblieben ist, herleiten ließe. Hierbei geht es um eine nachträgliche Veränderung und um einen Hinweis zur möglichen Existenz des Bildes.

Vincent schreibt Theo 1889, dass er in eine Kiste mit Gemälden noch ein kleines Blumenstück beilegt. Es sei nichts Besonderes, aber er wolle es nicht zerreißen. In den Werkskatalogen fehlt das Bild. Die Experten meinen, dass Van Gogh in dieser Zeit keine Stillleben gemalt hätte. Van Gogh schreibt zwar das er ein Blumenstück gemalt hat aber faktisch wurde auch das übersehen.

Paris 1886-1887. Einblick in die Liste des Kunstsammlers und Förderers Andries Bonger. Nummer 19.4 als Myosotis (Vergissmeinnicht). Liegt hier eine Fehldeutung, Verwechselung vor? | Photo © M. Roubrocks

Grundlage aller Rezeption und Auseinandersetzung mit dem Oeuvre und der Biographie eines jeden Künstlers ist die Literatur, die folglich des jeweiligen aktuellen Forschungstandes einer stetigen Wandlung unterlaufen ist. Im Falle Van Goghs haben Sie prägnante Auffälligkeiten entdeckt, die der Fachwelt in diesem Umfang, in Teilen noch nicht ganz geläufig sind. Wie würden Sie diese skizzieren und konkret im Einzelnen bewerten?

Der erste Werkskatalog wurde 1928 von J. B. de la Faille erstellt. Der Auktionator Rechtsanwalt, Kritiker, Journalist und Kunsthändler musste aufgrund der zahlreichen Fälschungen, die er aufgenommen hatte, 1939 einen Nachtrag schreiben. Von 1961 bis 1970 wurde die dritte Fassung von einem Komitee erarbeitet: J.-G. van Gelder, W. Jos de Gruyter, AM Hammacher, Jan Hulsker, H. Gerson, Annet Tellegen-Hoogendoorn und Martha Op de Coul und weitere. Hierbei sind wiederum alle drei Fassungen unvollständig und trotz mehrfacher Überarbeitung von Fälschungen oder Fehlzuschreibungen durchzogen. Prof. Jan Hulsker schrieb im Auftrag der niederländischen Regierung 1978 ein neues Werksverzeichnis „The Complete Van Gogh“. Es muss hier erwähnt werden, dass Herr Hulsker mit Neid und Missgunst zu kämpfen hatte. Das Niederländische Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte (RKD) fühlte sich anscheinend übergangen und Frau Annet Tellegen-Hoogendoorn und Martha Op de Coul, hatten wenig Interesse Jan Hulsker zu unterstützen. Prof. Dr. Hans Ludwig Cohn Jaffè wurde grundsätzlich übergangen, weil er zu häufig anderer Meinung war und für das RKD und die Van Gogh Familie zum Dorn im Auge wurde. Prof. Dr. Jaffè war stellvertretender Direktor des Stedelijk Museum Amsterdam und begleitete die Van Gogh Sammlung durch den Krieg bis er 1958 von der Universität Amsterdam wechselte. Durch Prof. Jaffè wurden mehrere Van Gogh Gemälde anerkannt und er war Mitglied des Expertise Instituts Van Gogh. So stand Prof. Hulsker recht allein da und konnte nur auf das zurückgreifen, was die Van Gogh Familie zur Verfügung stellte. Herr Hulsker wurde aufgrund der Fehler in der 1978er Auflage kritisiert und angegriffen, bis er 1996 eine komplett überarbeitete Fassung vorstellte: „The New Complete Van Gogh – Paintings, Drawings, Sketches“. Die Neuauflage war ein einziges Fiasko. Aufgrund des hohen Alters verwechselte Hulsker Standorte, Titel und nahm Fälschungen mit in die Publikation auf. Im Jahre 1989 versuchte dann Ingo E. Walther & Rainer Metzger und der Taschenverlag ein Werksverzeichnis zu präsentieren. Mit „Vincent van Gogh – Sämtliche Werke“ verspricht der Titel einiges, aber wie man heute weiß fehlen ein paar echte, dafür sind ein paar falsche Werke publiziert. Das VGM wiederum ist seit 1995 mit dem Bestandskatalog der Gemälde des Museums beschäftigt und hat bis heutigen Datums damit zu kämpfen. Seit nun mehr als 22 Jahren ist das VGM damit beschäftigt 220 Gemälde zu nummerieren und zu untersuchen. Da kann man froh sein, dass das VGM keinen Werkskatalog schreibt. Denn bei fast 900 Werken würde das hochkalkuliert ganze 90 Jahre dauern!


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Kommen wir zu einem etwas jüngeren Verzeichnis. Vor ungefähr einem Jahrzehnt erschien in der Fachwelt die Publikation des Verlegers und Kunsthändlers Feilchenfeldt, der Licht ins Dunkel der Ungereimtheiten bringen sollte. Man erfreute sich über ein Grundlagenwerk zur Provenienz- und Echtheitsforschung, welches 600 Werke Van Goghs genauer untersucht. Hierbei gehen Sie mit ähnlicher Härte ins Gericht und betiteln ganze 200 inhaltliche und fachliche Fehler.

Walter Feilchenfeldt, selbst ernannter Van Gogh Experte, Kunsthändler und Autor einiger Artikel über Van Gogh. Herr Feilchenfeldt hat schon einen Werkskatalog zu Cézanne geschrieben, der von der Kunstpresse zerrissen wurde. Dann versuchte er es mit Van Gogh. Im Jahr 2009 erschien die Publikation: „Walter Feilchenfeldt, Vincent van Gogh, die Gemälde 1886-1890, Händler, Sammler, Ausstellungen, Frühe Provenienzen“. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Werke. Auch hier fällt nach kurzer Betrachtung auf, dass ein Fehler dem anderen folgt. Falsche Maße, falsche Umrechnungen der Maße, falsche Titel, falsche Standorte, falsche Fotos zu den Gemälden, u.s.w. Ich habe sämtlich Fehler zusammengetragen und erläutert. Der Katalog soll laut Van Gogh Experte Stefan Koldehoff und dem Art Magazin, Klarheit in das Chaos bringen. Doch klar ist nur eines geworden, nämlich das man beim Art Magazin die Bücher, über die man schreibt, nicht liest. Eines haben alle Bücher gemeinsam, der unverschämte Preis. Gemessen an der Fehlerhaftigkeit aller Kataloge fühlt man sich zwangsläufig betrogen. Als Resümee kann ich nur sagen…schade um die armen Bäume die umsonst gefällt wurden. Den armen Kunstmagazinen und Tageszeitungen, die einen Feuilleton führen, sollte vermittelt werden, dass man über Bücher die man nicht gelesen hat, keine Loblieder singt.

Die (Fach-) Literatur, die das Oeuvre Van Goghs behandelt ist seit Veröffentlichung des ersten Werkskataloges 1928, bis in die Gegenwart, in Teilen unvollständig und häufig von Fehlern unterlaufen. Die hohe Anzahl an Van Goghs Werke, die komplexe Zusammenführung derer Provenienzen, sind neben den zahlreichen Fälschungen, die es bereits 30 Jahre nach Van Goghs Tod gab, die signifikanten Ursachen für Fehldeutungen und Missinterpretationen. | Photo © Chahil Art Consulting

Das Van Gogh Museum zählt zu den meist besuchten und best organisiertesten Museen dieser Welt. Eingebettet in der Museumslandschaft am Museumsplein in Amsterdam, verzeichnet es Besucherströme von über 2 Mio. jährlich. Es ist streng bewacht, aufgeteilt in einen Neubau und den vom Architekten Gerrit Rietveld entworfenen Altbau. Es beherbergt einen Museumshop, in dem kein Produkt mit Van Gogh print ausgelassen bleibt und wird multimedial geführt. Das Fotografieren ist strengstens untersagt, die Besucherorganisation ist durch Aufbereitung der Online-Verfahren nach aktuellsten Methoden der Branche aufgestellt. Beide Gebäude gleichen einem Tresor, dessen Inhalt, gemessen am Wert auf dem internationalen Kunstmarkt und der historischen Relevanz zu Van Gogh in der Kunstgeschichte, sowohl inhaltlich als auch monetär, im Sekundentakt anwächst. Es ist die größte in sich geschlossene Sammlung zu Van Gogh, doch auch nicht die einzige. Dieses Museum und seine Politik, im Umgang mit Van Goghs Oeuvre, gelang bereits häufiger in die Kritik. Sie verschärfen es noch und sprechen von internen Machenschaften und monopolisierter Machtausübung. Welche Kritikpunkte sind es im konkreten und wie sind die Zusammenhänge für einen Außenstehenden nachzuvollziehen?

Das VGM erklärt, dass man im Jahr rund 200 Anfragen zur Echtheitsbestätigung bekommt. Fünf Werke bei denen alles stimmt. Die Farben, das Motiv, der Pinselstrich und das Gesamtbild werden in das Museum zur Untersuchung bestellt. Den Eigentümern der Kunstwerke wird, auch wie in meinem Fall, vertraglich eine Untersuchung zugesichert. Das VGM hat aber 2013 vor Gericht eingeräumt, dass mein Gemälde 2001 nicht untersucht, sondern nur lapidar betrachtet wurde. Die technischen Feststellungen des VGM die den Farbaufbau in meinem Gemälde beschreiben, sind somit frei erfunden. Die umfangreichen mitgelieferten Gutachten wurden im Ganzen missachtet. Das VGM kann weder einen Untersuchungsbericht vorlegen, noch das Untersuchungsteam klar benennen. Nun stellt sich die Frage weshalb die Gerichte auf die Tatsache nicht reagieren und meine Anwälte sich zurückgehalten haben. Im Jahr 2014 wollte ich gemeinsam mit meinem niederländischen Anwalt an der Konferenz „Kunst & IE Rechten“ der niederländischen Anwaltskammer, teilnehmen. Eines der Hauptthemen der Konferenz für Kunstrecht war der Rechtsstreit um mein Gemälde. Am Tage der Konferenz wurden ich und mein Anwalt ausgeladen. Das VGM hatte damit gedroht die Veranstaltung platzen zu lassen, wenn wir teilnehmen würden. Die niederländische Anwaltskammer hat dem Druck des VGM nicht standgehalten und ist somit ihrem eigenem Mitglied in den Rücken gefallen.

>> Meinungen können an gewissen Grundwahrheiten so wenig ändern, wie Wetterfahnen die Richtung des Windes ändern können. Die Wetterfahnen machen den Wind nicht östlich oder nördlich, ebenso können Meinungen die Wahrheit nicht wahr machen. <<

Vincent Van Gogh (1853-1890)

Welche Macht das VGM hat und anwendet, ist hier verdeutlicht. Ich persönlich gehe davon aus, dass meinen Anwälten intern erklärt wurde, dass es für Niederländer nicht vom Vorteil sei, gegen das Rijksmuseum und dem VGM vorzugehen. Markant ist auch, dass die Gerichte dem VGM bestätigten, drei Untersuchungen an meinem Gemälde vorgenommen zuhaben. 1978 gab es bezüglich meines Gemäldes eine Anfrage an das VGM, wobei das Museum an die RKD verwies, weil man im VGM 1978 keine Authentifizierung durchführte. Das RKD hat nachdem mein Vater den Vertrag zur Untersuchung unterschrieben hat, ein negatives Gutachten anhand von Fotos erstellt. Die Weiterleitung zur RKD wird vom VGM als Untersuchung ausgelegt. Die Betrachtung von Fotos durch die RKD, legt das VGM als selbst durchgeführte Untersuchung aus. Die Gerichte haben trotz aufklärender Beschwerden meiner Seite nicht reagiert und dem VGM drei Untersuchungen bestätigt, was mich dazu veranlasste, das VGM Mitte 2017 wegen Falschaussage und Betrug anzuzeigen. Die niederländische Justiz hat auf meine Strafanzeige bis heute nicht geantwortet. Wer alles ohne Blessuren ignorieren oder zurechtbiegen kann, hat doch letztendlich absolute Macht.

Ausblick! Welche positiven Veränderungen würden Sie sich für die Van Gogh Welt wünschen. Welcher signifikante Baustein um die Anerkennung Ihres Werkes „Stillleben mit Pfingstrosen“ fehlt und was würden Sie sich, nach dem sehr deutliche und scharfe Kritik gefallen ist, für Van Goghs Rezeption wünschen. Was sollte sich ihrer Meinung nach ändern?

Das VGM hat für chaotische Zustände in der Van Gogh Forschung gesorgt und sich mehr um die Kommerzialisierung und das Monopol gekümmert, als um Van Goghs Erbe. Tragende Wissenschaften werden genauso ignoriert wie Provenienzen, Inventarlisten (Bonger Liste) und Van Goghs Briefe. Das eigennützige Verhalten entzieht der Kunstwelt seit Jahrzehnten echte Werke und verhindert eine sachgerechte Aufarbeitung des Gesamtwerks. Das VGM ist nicht bereit gemachte Fehler einzugestehen und zu bearbeiten. Es bleibt den Geschädigten nur der Weg einer Klage, die in den Niederlanden auf Grund der extrem hohen Anwaltskosten und der Machtausübung kaum zu führen ist. Dadurch ist eine unhaltbare Situation entstanden, die nicht im Einklang mit den Grundregeln eines Museums steht. Das VGM verstößt gegen den ethischen Code der Museen der ICOM (International Council of Museums) und handelt eigennützig. Es sollte auch bedacht werden, dass das VGM bis heute ein Reichsmuseum ist und damit im Namen des Königreiches handelt. Das VGM sollte nur noch als ausstellendes Museum fungieren und die Authentifizierung von Van Gogh Werken einer internationalen unbefangenen Kommission übergeben. Das Weltkulturerbe Vincent van Gogh sollte für jedermann zugänglich und frei von kommerziellen Ideologien und absurder Machtausübung sein.

Herr Roubrocks, ich danke Ihnen für den interessanten Einblick in Ihre Causa und Darstellung persönlicher Erfahrungswerte in Angelegenheiten, die das Oeuvre von Van Gogh betreffen. 

chahil

Andre chahil

Art & Critique | Interviews | Boulevard

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