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„Experimentieren und Fehler begehen bringen einen oft am weitesten!“ Im Interview mit Richard Fuchs.

Künstlerischen Ausdruckes in der Abstrakten Kunst bedarf es häufig einer synästhetischen Erfahrung. Der Künstler Richard Fuchs erteilt in phänomenologischer Weise Einblicke in eine Gefühlswelt, die vielen Künstler*Innen während eines solchen Prozesses widerfährt. Eine Reise, die vom Scheitern bis zum extatischen Abenteuer erzählt.

VON ANDRÉ CHAHIL | Photo © Quirin Leppert 

Herr Fuchs, ist es abenteuerlich mit der Malerei?

Ja durchaus, das Wort trifft es auf den Punkt. Ein Abenteuer kann man nur bedingt planen. Man gerät einfach hinein. Es kann einen in ernsthafte Gefahr bringen und schaden, wenn man Pech hat. Gleichzeitig ist ein Abenteuer auch derart intensiv, dass man davon lange zehrt. Ich war zum Beispiel auf einem Vulkan, um Motive zu sammeln, als dieser plötzlich ausbrach. Das war unbeschreiblich beängstigend. Aber das machte mich süchtig nach mehr. Im Nachhinein machte es mich sogar glücklich. Ich kann dieses Gefühl immer wieder „wachrufen“, selbst Jahre später.

Haben Sie Ihrer Ansicht nach Pech oder Glück mit der Kunst?

Ziemlich viel Glück. „Kunst“ ist dennoch ein Begriff, der leider inflationär angewandt wird. Dabei steckt so viel Wahrhaftiges darin. So viel Gewichtiges. Da genügen oft keine Worte. Es ist Mystik, gar fast ein Zauber.

In der Kunst steckt etwas Geheimes. Die Zusammenhänge mit mir als Mensch, mit meinem Leben, meinem Glück sind aufs Höchste faszinierend. Ich weiss nur, das es mir mithilfe der Kunst gelingt, Dinge in Bewegung zu setzen, die Durchschlagskraft haben. Es fühlt sich grundsätzlich immer richtig an. Was mich anbelangt, so kann ich mich auf die Kunst immer voll verlassen, ein Stück unerschütterbare Sicherheit.

BLUE DEEP UNIVERSE, 100 x 100 cm | Jahr 2021 – Öl und Acryl, Marmormehl, Tusche, Sprühlack, Graphit, Pigmente auf Leinwand Photo © Richard Fuchs

Wie steht es mit anderen Künsten bei Ihnen – also nicht nur die Malerei?

Mir bedeutet die Musik ebenfalls sehr viel, kleinste Geräusche und unterschiedliche Sounds. Wenn die Akustik meinen inneren Kern trifft, so wirkt dies bei mir nahezu hypnotisch oder extatisch. Ich würde sagen, ohne Sound kein Bild. Das hängt direkt zusammen, man spicht in diesem Falle von Synästhesie. Auch die Photographie fesselt mich. Gerade die alten Schwarzweissabzüge, die chemisch physikalischen Vorgänge in diesem Prozess – und die besondere Atmosphäre in der Dunkelkammer – das ist etwas sehr besonders! Und überhaupt hat ja so vieles mit „Kunst“ zu tun: Die Kunst der Wissenschaft. Die Kunst des Verstandes, mit Zahlen oder abstrakten Prozessen umzugehen. Oder der Kunstflug mit Modellflugzeugen, usw. (…)

Welche Bedeutung haben die Sterne für Sie?

In früheren Zeiten habe ich mich viel mit den Sternen beschäftigt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich baute auf riesigen Holzplatten, die ich Mitternachtsblau anmalte, den gesamten Sternenhimmel nach, indem ich tausende von Löchern bohrte und sie von hinten beleuchtete. Das fotografierte ich dann, zusammen mit selbstgebauten Monden, die ich aus Gips goss und bemalte oder speziell beleuchtete. Damals war ich nahe dran, Antriebstechnik für Weltraumfahrt zu studieren. Ich bin sehr technik-begeistert. Die Naturwissenschaften, Chemie und Physik hatten es mir schon in jungen Jahren angetan. Daher auch das Ausstellungs-Projekt mit dem Fraunhofer Institut, für welches ich das gesamte Periodensystem der Elemente künstlerisch verarbeitete. Es gab Werke aus purem Gold und Silber oder Edelstein. Sogar den Urknall habe einmal in einem Projekt als Filmwerk konstruiert.

Mein minimalistisches Werk ist malerisches Konzentrat –

Atmosphäre, Intuition und Weite spiegeln den besonderen Moment: harmonierend mit Sand, Gestein, Vulkanasche, verschiedene Metalle, Mineralien und hochwertige Pigmente in Komposition.    (R. Fuchs, 2020) 

Gold und Silber … dies klingt nach Vermögen und Anlage – ist Ihre Kunst zum Sammeln?

Oft steht das Geld der Kunst im Wege. Persönlich finde ich es schade, wenn Kunst nur in den Tresor wandert, um dort quasi als Aktie zu verweilen. Kunst ist bereits wertvoll, wenn sie erschaffen wird und authentisch ist und etwas transportiert von dem Menschen, der sie erschafft. Dann bewegt Kunst etwas. Wenn sie nur gemacht wird, um den Markt zu bedienen, unterscheidet sie sich nicht mehr von einem herkömmlichen Produkt oder einer Massenware. Sie ist dann nicht mehr lebendig. Dann vermag sie nicht mehr, als Geldbewegungen zu generieren. Ich bin der Meinung, dass die Kunst dazu nicht da ist. Natürlich kann man meine Kunst sammeln. Aber sie sollte dann sichtbar bleiben und anderen Menschen zugänglich sein … und vor allen Dingen inspirieren. 

METEORIT, 250 x 270 cm, 2006. Ausstellungsansicht Fraunhofer Gesellschaft, München 2009 | Photo © Richard Fuchs

Welche Ideen verarbeiten Sie in ihren Bildern?

Eigentlich nur eine einzige: Die Stimmung oder Atmosphäre der räumlichen Weite. Alles, was dann sonst noch mit hineinspielt, sind untergeordnete Fragmente von Gedankengängen abstrakter Natur. Es ist hauptsächlich die Farbe. Pigmente und Material aus der Natur sind allein schon Inspiration pur. Sie entfesseln sich fast von selbst. Und wenn es dann so aussieht, als würden irgendwo in meinen Bildern Gestalten, Tiere, Bauwerke oder anderweitige Gegenstände auftauchen, dann ist das eine jeweilige Eigendynamik des Werks. Es findet sich alles wie von selbst. Das geht dann sogar so weit, dass sich die Bilder und die Menschen, die sie besitzen wollen, von selbst finden. Das sind zumeist unglaubliche Zufälle…

… für die Leser*Innen, ein Beispiel bitte?!

Das Ganze fängt bereits damit an, unter welchen Umständen ein Werk entsteht. Meistens ist es unlogisch: die Zeit ist knapp und es fehlt mir die Stimmung oder die Konzentration. Dazu vielleicht noch die Kraft. Und dann kommt ein ganz glasklarer Moment, in dem ich feststelle: es ist soweit! Als würde ich aufwachen. Dann entsteht ein Werk. Alles, was sich in meinem Kopf aufgebaut und angehäuft hat an möglichen Details und Grundlagen für ein neues Bild, materialisiert sich. Das geschieht dann ganz konzentriert und langsam. 

Und dann gibt es noch diejenigen, die das Werk besitzen möchten. Oft suchen diese Menschen schon sehr lange Zeit, lange Jahre ein Werk, das sie erfüllt. Und dann entdecken sie es. Eines meiner Werke. Nicht etwa in einer Ausstellung oder im Internet. Nein: oft buchstäblich auf der Straße, zum Beispiel während ich eine Ausstellung aufbaue. Oder bei Freunden an der Wand. Und natürlich in Galerien, und dort auch oft, wenn sich die Werke wie zufällig ohne Inszenierung im Nebenraum zu „verstecken“ scheinen.

ORAKEL, 310 x 200 cm | Jahr 2022 – Öl, Acryl, Glasperlen, Sprühlack, Marmormehl, Metalle, Pigmente | Photo © Richard Fuchs

Welche*n Künstler*Innen aus der Geschichte wären Sie gerne einmal persönlich begegnet?

Viele Werke von > Antoni Tàpies <, der für sein Informel bekannt war, wirken auf mich mitreissend. Einer meiner früheren Galeristen hatte einiges von ihm gesammelt, darunter auch ein großformatiges Werk mit mehreren Metern. Die Ausstrahlung vereinnahmt den Raum. Ihm bei seiner Arbeit zuzusehen wäre sicher lehrreich gewesen. Ebenfalls zu nennen wäre der Künstler > Luigi Pericle < – welch ein besonderer Mensch dieser war, so besonders auch seine Kunst! Es ist wundersam, wie er mit Schönheit, Ästhetik und dem Geheimnisvollen, Unergründbaren umgegangen ist.

Welche Wahrheit gibt es für Sie?

Ich weiß, dass ich nichts weiß …

… experimentieren und Fehler begehen bringen einen oft am weitesten!

Leben Sie nach einer Weisheit?

Geduld haben … und dennoch aktiv sein und Ideen verfolgen. Man muss viel säen, um irgendwann etwas ernten zu können. Es ist eine Lebensaufgabe. Ich versuche es täglich neu zu lernen. Wichtig ist, immerzu in sich hineinzuhören. Mut zum Träumen oder Fantasieren zu erhalten. Irgendwie ist alles oft schwer und doch kann es, wie so oft … ein Spiel sein.

Herr Fuchs, ich danke Ihnen für das Interview.


Photo © Richard Fuchs 

Künstler Richard Fuchs, *geboren am 08.11.1972 in Gräfelfing, München / 1987 Eintritt in die Euro Grafitti Union (EGU) bei Professor Dr. Kreuzer, 1992 Fachoberschule für Gestaltung, 1993 Mitgründer des ‘Wandlandtheaters’, aktiv in und um München. Verfassen, Inszenieren und Aufführen eigener Theaterproduktionen, Realisieren der Bühnenbilder, 1996 Abschluss im Visual Merchandising bei ‘Ludwig Beck am Rathauseck’ in München / 1996 großflächige Fassadengestaltungen / Kunst am Bau im Großraum München / 1997 Mitbegründer und Herausgeber der literarischen Subkulturzeitschrift ‘dieser text’ sowie Mitbegründer der Literaturperformance Gruppe ‘Die Schwanenwerft’ / 1998 verantwortliches Engagement in Verlagen und Werbeagenturen als Artdirector, 2005 Wissenschaftliche Ausstellungsreihen u. a. mit der Fraunhofer Gesellschaft und dem Max Planck Institut. Richard Fuchs lebt und hat sein künstlerisches Wirken in Castell, Bayern. 

www.richardfuchs.com
chahil

Andre chahil

Art & Critique | Interviews | Boulevard

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