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Ein neues Museum für Berlin * INTERVIEW MIT HEINER PIETZSCH


Der Unternehmer, Kunstsammler und Mäzen Heiner Pietzsch vermachte mit seiner Frau dem Land Berlin eine bedeutende Kunstsammlung der klassischen Moderne. Nicht nur deren Meisterwerke – u.a. von Salvador Dalí, Pablo Picasso, Max Ernst, René Magritte, Joan Miró und Yves Tanguy – sondern auch die Privatsammlungen weiterer Stifter suchen ein öffentliches und repräsentatives Umfeld. Nach langem Ringen und vielen Verhandlungen ist ein Bau auf dem Berliner Kulturforum in Planung. Wie das Museum der Moderne einmal aussehen wird, ist noch ungewiss. Wir fragten den Mäzen nach seinen persönlichen Präferenzen.

VON ANDRÉ CHAHIL & CHRISTIAN SPEELMANNS Photo © H. Pietzsch

Sehr geehrter Herr Pietzsch, Sie und Ihre Frau haben in über einem halben Jahrhundert eine bedeutende Kunstsammlung aufgebaut. Ihre Sammlung zählt zu den herausragenden deutschen Privatsammlungen der Klassischen Moderne. Können Sie sich noch an den entscheidenden Impuls erinnern, der aus ein paar dekorativen Bildern eine Leidenschaft werden ließ, die bis heute anhält?

Ich war ein 16-jähriger Schüler in der zerstörten Stadt Dresden ein Jahr nach Kriegsende, als wir in eine Ausstellung geführt wurden, mit dem Titel: „Ist es entartete Kunst?“ Die völlig anderen Sehgewohnheiten des Heranwachsenden führten zu dem vorschnellen Urteil: Darüber kann man nicht streiten, natürlich ist das entartete Kunst! Es war aber etwas geschehen, das dazu führte, daß ich fünf bis sechs Mal alleine die Ausstellung besuchte, mich mit einzelnen Bildern und Künstlern befaßte. Und dort ist wohl die Initialzündung für das spätere Interesse entstanden.

Eine große und umfangreiche Kunstsammlung ist häufig mit dem Charakter eines Sammlers verbunden. Wie würde Ihrer Auffassung nach eine optimale architektonische Umsetzung für Ihre Sammlung aussehen?

Das kann ich mir nicht wünschen, ich sehe auch keine Möglichkeit, daß das Museum des 20. Jahrhunderts mit der Kunst eines Sammlers verbunden sein kann. Zu umfangreich ist die eigene Sammlung der Werke des 20. Jahrhunderts der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Gibt es vielleicht einige Begrifflichkeiten, die diesen Bau beschreiben könnten, wenn auch nur der Stimmung nach?

Die Lage des neuen Museums zwischen Philharmonie und Mies van der Rohe-Bau sollte eine verbindende Architektur und eine Zusammenfassung der jetzigen Solitäre sein. Das neu entstehende Ensemble muß dann später richtungsweisend für die Sanierung des gesamten Areals werden.

Licht, Raumhöhe und Materialien haben einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung von Kunst. Haben Sie konkrete Vorstellungen, wie Licht und Materialien im Kontext speziell für Ihre Sammlung wirken sollen?

Nach Mies van der Rohe: Es muß so einfach werden, wie es geht, koste es was es wolle!

Mies van der Rohe mit dem Modell der Crown-Hall | Chicago © Enzyclopaedia Britannica

Tageslicht oder Kunstlicht? Seitenlicht oder Oberlicht? Gibt es hierbei Präferenzen Ihrerseits?

Es geht wahrscheinlich nur um eine gelungene Mischung aus gutem Design und die dazu jeweils entsprechende Form des Lichtes.

Beton, Glas, Stahl … oder gleich lieber Fachwerk? Gibt es Materialien, die Sie im Kontext Ihrer Sammlung eher in Betracht ziehen würden?

Erneut . . . nach Mies van der Rohe: Es muß so einfach werden, wie es geht, koste es was es wolle!

In Deutschland gibt es zahlreiche Unternehmer, die sich als Mäzene, sinnstiftend mit dem Bau eines eigenen Museums, in der Öffentlichkeit eingebracht haben. Vorweg seien beispielsweise die Sammlung Würth oder die Sammlung Falckenberg genannt. Gibt es etwas, das Sie bei der Realisierung gänzlich anders als Ihre Vorgänger umsetzen würden – dieses in Architektur oder in einer Form der Museumskultur ausgedrückt?

Ein eigenes Museum ist genau das, was wir nicht wollen. Berlin braucht Platz für eine enzyklopädische Sammlung des 20. Jahrhunderts.

Gibt es Ihrer Auffassung nach zeitgenössische Museumsbauten, die Sie für nicht sonderlich gelungen halten?

Wenn schon, dann das Museum für Kunstgewerbe im Tiergarten.*

Kunstgewerbe Museum | Berlin © Christian Speelmanns

 

. . . und welche Museen/Sammlungen besuchen Sie immer wieder gerne?

Nahezu alle.

Angenommen, wir gehen einen Gang Ihrer Sammlung im neuen Museumsbau gemeinsam und nehmen abschließend im Museumscafé ein gutes Glas Rotwein zu uns. Was würden Sie sich aus dieser Erfahrung für uns wünschen. Mit welchem Gefühl soll der Museumsbesucher den Bau wieder verlassen?

Hier wird entscheidend sein, daß die Kuratoren mit Ihrer Hängung den Charakter der jeweiligen Kunstrichtung, aber auch die Gestaltung des Baues erfaßt und zu einer guten Übereinstimmung gebracht haben. Bei einem guten Museum mit einer guten Sammlung sollte sehr darauf geachtet werden, daß der abschließend zu sich genommene Rotwein der Qualität des Hauses entspricht.

Wir danken Ihnen für das Interview und wünschen Ihnen, Ihrer Frau und natürlich der sehr bedeutenden Sammlung alles Gute. Mögen diese Meisterwerke ein schützendes und repräsentatives Zuhause finden!

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BILDERTRÄUME , Katalog
Die Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch
Prestel Verlag, 2009

 

 

 


 Dieses Interview entstand in Kooperation mit
Christian Speelmanns Architekt
Photo © C. Speelmanns
Christian Speelmanns Architekt

 

 

 

 

 

 

 

 

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chahil

Andre chahil

Art & Critique | Interviews | Boulevard

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