Seit fast einem Jahr arbeite ich mit der jungen Künstlerin Juliane Golbs (Wondart) aus Hamburg zusammen. Die Malerin und Autorin veröffentlichte 2013 ihren Debütroman „Und der Igel legte sich zum Sterben auf die Autobahn“. Ihr Erstlingswerk ist eine sehr persönliche Reflexion ihrer Erfahrung des Erwachsenwerdens in einer Umwelt, für die sie meint, nicht geschaffen zu sein. In dieser Welt erschafft die Künstlerin dennoch eines: viele ansprechende Bilder! Es ist Zeit für ein Interview.
VON ANDRÉ CHAHIL | Photo © Juliane Golbs
Juliane, du malst und schreibst, bist in beiderlei Hinsicht kreativ. In welchem Alter hast Du angefangen deine Umwelt künstlerisch zu reflektieren?
Der Aktivismus lässt sich nicht nur in einem Output eingrenzen. Im Grunde begann ich wohl wie jedes junge Mädchen mit drei oder vier Jahren Blumen, Einhörner, Regenbogen und Familienaufstellungen zu malen, natürlich mit einer Sonne am oberen Rand, die lächelt. Es waren viele Momente an die ich mich erinnere. Beispielsweise fragte ich mich beim Laterne laufen, wie es kommt, dass wir unten leuchten und oben die Sterne zurückleuchten. Ich schrieb heimlich, da ich den Rest meiner Freizeit malte. Ich wollte den Eindruck erwecken, normal zu sein. Im Nachhinein ist das natürlich lächerlich. Doch um die Frage auf den Punkt beantworten zu können, müsste ich so weit ausholen, als das keine Zeit für weitere Fragen bleiben würde. Alles in allem möchte ich meinen, dass mir Worte schon immer sehr viel bedeuteten und Farben ebenso wie Worte für mich sind.
In Hamburg hast Du unter Anderem die Hochschule für Bildende Kunst (HFBK) besucht, die auch schon sehr erfolgreiche Künstler mit weltweitem Renommee besucht haben. Wie kann man sich das Studieren und den Geist an dieser Hochschule vorstellen?
Das ist richtig und wie immer hat man ein schizophrenes Verhältnis zu solchen Tatsachen. Kunst zu studieren habe ich mir anfangs doch etwas anders vorgestellt. Ich dachte ich lerne nun „richtig“ zu malen, doch weit gefehlt, da es an der Hochschule eher um Bewusstseinserweiterung und Selbstreflektion gegenüber sich und seinen Arbeiten zu lernen gilt. Gespräche bei denen wir bis zu sechs Stunden über eine Arbeit senierten, ließ einen Arbeitsgeist manifestieren, der weit über das hinausgeht, was man sich selbst zumutet. Anstrengend! Doch mit der notwendigen Ernsthaftigkeit, die man zuvor allein suchte, findet man sich in einem Gebäude, das hunderte von einem selbst beherbergt. Das kann sehr von Vorteil sein, aber auch einen Druck erzeugen, der weit mehr als Vergleiche anstrebt. Dadurch, dass eben kein gezielter Unterricht stattfindet, lediglich Seminare und Kurse, um Techniken zu beherrschen, gibt es keinen einheitlichen Duktus. Jeder ist jemand, egal ob er aus Mülltüten einen ansehnlichen Berg zaubert oder jemand der nächste Renoir zu sein scheint. Es gab an und für sich nie ein Richtig oder ein Falsch, sondern nur harte, aber faire konstruktive Kritik. Meine Ziehmutter Andrea Tippel aus der Grundklasse, war die erste Person, die erfahren und verständnisvoll genug war alles von mir zu akzeptieren. Ich war nicht mehr gezwungen mich entscheiden zu müssen zwischen Wort und Schrift, Stil und Stillosigkeit. Sie brachte mich dazu, bei meiner ersten Jahresausstellung alle meine Bilder und Schriften an die Wand zu bringen. So füllte ich allein im zweiten Semester komplett einen ganzen Flur. In der Klasse selbst hatte ich nie Platz gefunden und das hat sich bis zum Ende des Studiums nicht geändert. Ich wollte nie aus der Reihe tanzen, aber ich tanzte und sie machte die passende Musik dazu.
Hat Dich das Studium an dieser Hochschule in Deinem Schaffen geprägt, Dir eine Direktive gegeben?
Wie ich vielleicht eben andeutete, wäre ich ohne die ersten Jahre dort, nicht dazu gelangt eine Akzeptanz zwischen mir und meinen Arbeiten aufzubauen. Das direktive Moment liegt darin keine Richtung gegeben zu bekommen. Das ist weit mehr als man erwarten kann. Ich habe das lange nicht verstanden und suchte nach Didaktiken, nach Schubladen … aber die gab es nie und wenn dann wurden sie von den Bühnenbildnern zweckentfremdet.
Deine Werke sind keinem Ismus, keiner Idea zugeschrieben. Dein bisheriges Oeuvre ist weder politisch, religiös und verfolgt keine bestimmten Trends, die in der Kunstwelt zu finden sind. Wie soll man Deine Kunst begreifen können?
Mein Anliegen ist weder einen Trend zu halten, noch ihn bewusst zu setzen. Ich versuche ganz ernsthaft, dass was ich aufnehme, wie etwa aktuelle politische Agitationen und private Situationen, zu neuen Momenten zu erschaffen, die noch nicht existent sind. Begreifen? Nun, das Synonym ist in meiner Welt nicht gerade positiv konditioniert, da ich wie jedes andere Kind von dem Satz: „Begreifst du das endlich?“ geprägt bin.
Wie ist es für den Rezipienten möglich einen geeigneten Zugang zu Deinen Werken zu bekommen?
Man kommt ohne einen gewissen Hang zum Im– und Expressionismus, Surrealismus, Dadaismus und modernem romantischen Realismus nicht herum, meine Kunst verstehen zu können. Sie ist ein Verweis, eine Hommage an all die Künstler der klassischen Kunstgeschichte, die vor mir um Anerkennung regelrecht „kämpfen“ mussten. Den Kampf mit den Farben, Formen, der Unendlichkeit einer kleinen weißen Wand, wahlweise einem blanken Stück Papier. Es ist eine volle Welt, eine Ebene, die sich erschließt, wenn man sie gegenwärtig erleben will, wie etwa in den Himmel zu sehen und neue Dinge zu entdecken, wie etwa an Gebäuden oder den Farbverlauf der Sonne im Laufe des Tages. Sympathisierend, wie mit dem Leben, an und für sich lassen sich meine Bilder als eine Hommage an das Dasein verstehen, mit allen Gut- und Schlechtigkeiten.0




